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ASVÖ Blog
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Mit Präzision ins Unsichtbare

10. Oktober 2024
Isabelle Zekely
Isabelle Zekely
Öffentlichkeitsarbeit im ASVÖ, begeistert das unermüdliche Engagement von Anne-Marie Kelterer für Inklusion.

Anne-Marie Kelterer ist Wegbereiterin für inklusives Bogenschießen beim Postsportverein Graz.

„Ich bin da einfach vor zwei Jahren hineingewachsen und war überrascht, dass rund 20 Blinde und Sehbehinderte das Angebot angenommen haben“, erzählt Anne-Marie Kelterer über ihre Anfänge im inklusiven Bogenschießen beim Postsportverein Graz (PostSV). Seit 2020 engagiert sich die gebürtige Amsterdamerin als Trainerin und schulische Leiterin beim PostSV und macht sich insbesondere für aktive Inklusion von Menschen mit Behinderungen im Bogensport stark. Und ihr Einsatz lohnt sich – im September wurde sie am Tag des Sports am Wiener Heldenplatz vom Sportministerium mit dem Ehrenamtspreis für Inklusion ausgezeichnet.

Bogen Anne-Marie Kelterer

Der Beginn einer inklusiven Sportart beim PostSV Graz

Bogenschießen ist eine vergleichsweise neue Disziplin beim PostSV Graz, die erst seit 2020 angeboten wird. In relativ kurzer Zeit hat es die Professorin für Computational Chemistry geschafft, eine inklusive Trainingskultur aufzubauen. Von den derzeit etwa 25 Mitgliedern der Bogensportabteilung sind fünf Para-Sportler*innen, darunter vier blinde Schütz*innen und eine Person im Rollstuhl. Diese Entwicklung ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Bogensport in der Steiermark bislang kaum auf blinde Menschen ausgerichtet war.

Anne-Marie Kelterer Schussablauf-fuer-blinde

Der Weg zur Inklusion: Begeisterung und Entschlossenheit

Ausschlaggebend für Anne-Marie Kelterers besondere sportliche Karriere war der Übungsleiter*innen-Plus-Kurs kurz vor Ende ihrer Trainerin-Ausbildung im Jahr 2022. Dort kam die Wissenschaftlerin mit inklusiven Sportarten in Berührung. Sofort kam ihr die Idee, Bogenschießen für blinde Menschen als neues inklusives Angebot in Graz einzuführen. Kelterer erkannte schnell das Potenzial dieser Disziplin für Menschen mit Sehbehinderungen. Dank des Engagements und der Unterstützung der ersten beiden Schütz*innen, die sich auf ihr Angebot einließen, konnte sie zahlreiche Erkenntnisse gewinnen und aufbereiten. So hat sie gelernt, wie man blinden Menschen das Bogenschießen vermittelt, den Schießplatz entsprechend gestaltet, das gekaufte Material fachgerecht verwendet und einstellt sowie Blinde sicher und korrekt über den Platz führt. „Heute verfügt der Verein über reichhaltiges Wissen und bildet sowohl blinde Bogenschütz*innen als auch Coaches in diesem Bereich aus. Und es macht mir einfach Spaß, unser erarbeitetes Know-how zum Beispiel bei der Übungsleiter*innen-Weiterbildung weiterzugeben“, erzählt die passionierte Krimi-Leserin.

Solomiia_beim_PostSV-Blindentraining

Ein Netzwerk der Unterstützung

Der Erfolg von Anne-Marie Kelterers Arbeit basiert auch auf der Unterstützung durch verschiedene Partner und Organisationen. „Bogensport ist national ein inklusiver Sport – gleiches Prozedere, gleiche Bogenausrüstung, gleiche Distanzen und Auflagen – und vor allem gemeinsames Training“, betont sie. Dies sei ein guter Ausgangspunkt gewesen, um Barrieren abzubauen. Der PostSV Graz selbst, der Steirische Fachverband für Bogenschießen sowie die Para-Abteilung des Österreichischen Bogensportverbandes haben sie nicht nur finanziell, sondern auch ideell unterstützt. Zudem erleichtert das Projekt Grenzenlos Fit des ASVÖ Steiermark die finanzielle Absicherung ihrer inklusiven Vorhaben.

Ein bedeutender Partner in Kelterers Tätigkeit ist zudem Manfred Reichmann, ein Trainerkollege beim PostSV Graz. Gemeinsam gestalten sie das Training für blinde Bogenschütz*innen, und der gesamte Verein unterstützt aktiv die Bemühungen um mehr Inklusion. Der Austausch mit Enikö Bodor, einer weiteren Trainerin aus Wien, hat ebenfalls eine enorme Bedeutung für Kelterers Arbeit. Mittlerweile gibt es nicht nur in Wien und der Steiermark, sondern auch in Ober- und Niederösterreich blinde Bogenschütz*innen – Turnierambitionen inklusive.

International hat die Community der blinden und sehbehinderten Bogenschütz*innen eine große Offenheit für Wissensaustausch. Kelterer erinnert sich besonders an den britischen Trainer Malcolm Higman, der sein umfangreiches Wissen bei mehreren Besuchen und Schulungen kostenlos weitergegeben hat. Dies unterstreicht die solidarische und unterstützende Haltung in der weltweiten Bogensport-Gemeinschaft.

Anne-Marie Kelterer Aufbau

Bestätigung für ihre Leidenschaft

Stolz machen die Sportlerin die ersten Erfolge ihrer Schützlinge. Einer ihrer Bogenschützen, der mittlerweile auf 30 Meter Distanz schießt, überraschte alle, als er beim Vereins-internen Turnier nach der Qualifikationsrunde auf Platz 13 landete und sich in den nachfolgenden Matches auf den zweiten Platz vorkämpfte. Ein weiteres Highlight war, als die blinde Schützin einer Anfängerin beim Training demonstrierte, wie man die Sehne auf den Bogen aufspannt. Auch die Erfolge einer 13-jährigen ukrainischen blinden Schützin, die seit zwei Jahren regelmäßig am Training teilnimmt, sind für Kelterer eine Bestätigung für ihre Hingabe. Die Jugendliche schießt mittlerweile auf zehn Meter und trifft stets das Ziel – ein enormer Fortschritt. Ein weiterer Beweis für Anne-Marie Kelterers Einsatz ist der Ehrenamtspreis 2024, den sie am Tag des Sports auf dem Wiener Heldenplatz erhielt: Den 1. Platz in der Kategorie Inklusion, überreicht von Sportminister Werner Kogler.

Ehrenamtspreis 2024 Kelterer

Blick in die Zukunft

Die Vorreiterin in Sachen inklusivem Bogenschießen in Österreich ist davon überzeugt, dass jeder Verein inklusiver werden kann. „Der direkte Dialog mit den Para-Athletinnen und -Athleten ist der Schlüssel, um herauszufinden, welche Anpassungen notwendig sind, um inklusiven Sport erfolgreich umzusetzen“, ist die Forscherin an der Technischen Universität Graz überzeugt. Ihr ehrenamtliches Engagement umfasst darüber hinaus die Rolle als Referentin für Rollstuhl-Bogensport im Steirischen Behindertensportverband. Seit 2023 bietet sie gemeinsam mit Manfred Reichmann zudem alle zwei Wochen Bogenschießen im Rahmen des ‚Mittwochsports‘ im Rehazentrum Tobelbad an. Das Ziel der Wissenschaftlerin ist klar: Ihr Wissen an eine neue Trainer*innen-Generation weiterzugeben und eine breitere Zielgruppe anzusprechen, um mehr Menschen mit Behinderungen für den Bogensport zu begeistern.

Fotocredit: ©BMKÖS/Agentur Diener/Eva Manhart; Anne-Marie Kelterer/privat; Florian Sedy/ASVÖ